Aufschlussreiche Definitionen

Oerlinghausen NW Leopoldshöhe  

NR. 64, Samstag / Sonntag, 15./16.   März 2008

 Musikpädagogin mit russischen Wurzeln will Kollegen den Weg der Integration erleichtern 

Oerlinghausen (kap). „Ich habe eine kleine Hilfe geleistet“, sagt   Jasmin Müller bescheiden. Immer wieder hat die gebürtige Russin in Geschäften nach einem Wörterbuch gesucht, in dem sie russische Begriffe aus der Musik in deutscher Übersetzung finden konnte. „So etwas gibt es nicht“, bekam die diplomierte Klavierpädagogin immer wieder zur Antwort. Also wurde die 47-Jährige selbst aktiv.

Jasmin Müller, die ab April im Altstädter Musiksalon „Tonkunst“ von Natalia Stuphorn als Klavierlehrerin unterrichten wird, füllte über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg vier Schulhefte mit insgesamt 2.200 Musik-Begriffen, Verben und Adjektiven. „Sie können vor allem Musikpädagogen in der Unterrichtsarbeit gute Hilfe leisten“, glaubt Jasmin Müller, die mit ihrer Familie in Bielefeld lebt. „Ich habe an die Kollegen gedacht“, sagt die zweifache Mutter. Den eigene „schweren Weg der Integration“ wollte sie ihnen leichter machen. Das musikpädagogische Wörterbuch ist in einer Auflage von zunächst 500 Exemplaren gedruckt worden.

 „Ich habe viele E-Mails aus ganz Deutschland bekommen“, erzählt Jasmin Müller von der positiven Reaktion. Viele hätten sich dankbar geäußert, endlich einen Leitfaden an der Hand zu haben, auf den sie sich verlassen können. Denn das, was sie an deutscher Sprache in Russland gelehrt bekommen habe, sei altmodisch und für das Leben in Deutschland völlig unangebracht gewesen. Jasmin Müller fand in Musiklehrerin Rosemarie Seidel eine große Hilfe. Die Cellistin nahm sich der Aufzeichnungen von Jasmin Müller an und musste zunächst über die zum Teil allzu wörtlichen Übersetzungen schmunzeln.

 „Heute kann auch ich darüber lachen“, meint die Pianistin. „Damals ganz und gar nicht.“ Schlimm sei es gewesen, mit der Familie nach Deutschland zu kommen und kein Wort zu verstehen, obwohl man vorbereitet gewesen sei. „Ich konnte sprechen, aber nichts verstehen.“ Viel zu schnell hätten die Menschen geredet und dann die verschiedenen Dialekte. Verzweifelt sei sie gewesen, erinnert sich Jasmin Müller an die Hilflosigkeit in der ersten Zeit. „Das war eine absolute Katastrophe.“ 1996 kam sie mit Mann, Tochter und  Sohn in das Übergangslager Friedland, danach nach Unna, später nach Bielefeld.

 Jasmin Müller besuchte Sprachkurse und fing an, als Musiklehrerin zu arbeiten. „Dabei habe ich am meisten gelernt“, sagt die Pädagogin. Heute fühlt sie sich sicher im Umgang mit anderen Menschen, und dank ihres musikpädagogischen Wörterbuches auch im Umgang mit den Schülern. Sie selbst hat in der Republik Baschkortostan, in der sie geboren wurde, die Kindermusikschule mit Auszeichnung absolviert, mit 14 Jahren einen ersten Platz bei der Musikolympiade in praktischem und theoretischem Wissen errungen.

 Von Anfang an spielte sie Klavier. Als Jugendliche gründete sie ein Vokalensemble aus Klassenkameraden, kam mit 17 Jahren in die Musikfachschule Ekaterinburg, studierte dort Musikpädagogik mit Studienrichtung Instrumentalpädagogik und den Zusatzstudiengang Musiktheorie. Seit 1994 ist Jasmin Müller im Besitz eines Diploms. Eines ihrer größten Hobbys ist „lesen, lesen, lesen zu jeder Tageszeit“. Das „Musikpädagogische Wörterbuch, Russisch-Deutsch, Deutsch-Russisch“ ist unter anderem in der Buchhandlung Blume  zum Preis von 8,50 Euro erhältlich. Oder über das Internet unter mus-met.jmueller@arcor.de.

 Weitere Informationen unter www.Musik-methodik.de

 AUTORIN: KARIN PRIGNITZ

 Bildunterzeile: 

Gute Idee: Jasmin Müller am Klavier im Altstädter Musiksalon mit ihrem Wörterbuch, mit dem sie Kollegen das Leben erleichtern will.                             FOTO: KARIN PRIGNITZ